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August 1986, Florenz. Die Luft flimmert über dem Asphalt. Meine Familie und ich tun so, als ob wir Sehenswürdigkeiten ansehen wollen. Doch in die Uffizien gehen wir eigentlich nur, um in den Schatten zu flüchten. Vor dem Dom reicht mir mein Vater plötzlich seine heilige Konica-Spiegelreflexkamera. „Hier!“
„Was soll ich damit?“, frage ich.
„Ich will nicht mehr. Mach‘ du weiter.“
„Aber...“
„Du wirst es schon lernen. Am besten lernst du das Fotografieren durch …“ Er grinst. „Das Fotografieren selbst. Durch Fehler.“
Ich schlucke ob des bevorstehenden, ausgedehnten Dia-Abends zuhause. Was ist, wenn die Fotos nicht gut werden, wenn sie zu dunkel oder zu hell werden, wenn sie verwackelt sind, oder – der Film reißt?
„Okay“, sage ich. Nachdem ich den Film, den mein Vater eingelegt hatte, leergeknipst habe, lege ich einen neuen Film ein, einen Kodak Chrome 200. Plötzlich fühle ich mich wie ein Profi. Bei einem neu eingelegten Film sind die ersten drei Bilder immer für die Katz.
Ratsch-klack! Ratsch-klack! Ratsch-klack!
Und dann geht’s los. Ich fotografiere. Den Dom Santa Maria del Fiore von außen; die Piazza della Repubblica mit ihren vielen Touristen, die in der brütenden Mittagshitze Pause machen; den Palazzo Pitti; die Ponte Vecchio über dem Arno; die berühmte Figur des David von Michelangelo an der Akademie der schönen Künste; auch uns. Ich komme in einen regelrechten Fotorausch, wie ich ihn später häufiger erleben sollte. Die Zeit rast.
Doch dann – sehe ich etwas, das mir den Atem stocken lässt: Die Filmspule dreht sich nicht, wenn ich den Spanner betätige. Ich probiere es mit zitternden Fingern aus, beobachte fassungslos das Rädchen der Filmspule, spanne an, löse aus. Ratsch-klack! Ratsch-klack! Ratsch-klack!
Mein Herz rast, denn es ist eindeutig. Das Rädchen bewegt sich nicht. Ich habe den Film nicht richtig eingelegt. Wie soll ich das meinem Vater beibringen? Nachholen können wir das nicht, denn wir sind zu erschöpft und es ist bereits Abend. Wir fahren gleich zurück nach Terrinca und nach Florenz werden wir in diesem Urlaub nicht noch einmal kommen. Kurz bevor wir zum Wagen aufbrechen, fragt mein Vater: „Hast du schöne Bilder gemacht?“
Ich nicke heftig. „Äh, ja.“
„Ich weiß, dass der Film nicht richtig eingelegt war“, sagt er und kneift mir verschwörerisch ein Auge zu. „Hab‘ ich am Rädchen der Filmspule gesehen.“
Mir ist nach Heulen zumute. „Warum hast du nichts gesagt?“
Er klopft mir beruhigend auf die Schulter. „Weil es das Geheimnis der Fotografie ist, den Moment zu genießen und festzuhalten. Jedes Bild ist einzigartig. Ob mit oder ohne Film. Fotografieren heißt, sehen lernen.“
Mehrere Jahrzehnte später fotografiere ich immer noch leidenschaftlich gerne – analog wie digital. Wenn Stephen King mein literarisches Vorbild ist, so sind das in der Fotografie William Eggleston und Fred Herzog.
Auf der linken Seite oben können Sie einige Ordner anklicken und die Fotografien ansehen. Nach und nach stelle ich neue Fotografien ein.